Industrial Usability: Der Mehrwert ausgereifter UX-Konzepte

Lange Zeit wurde die Benutzerfreundlichkeit im industriellen Umfeld etwas stiefmütterlich behandelt. Doch analog zum B2C-Bereich zeichnet sich nun auch im B2B-Umfeld eine Umorientierung ab. Aber wie schafft man in diesem Bereich ansprechende Nutzer:innenerfahrungen?

Marcel Möstel

24.5.2023

24.5.2023

Es steht außer Frage: Produktivität und Stabilität sind die zwei Grundpfeiler für Anwendungsoberflächen im Industriesektor. In der B2B-Welt war Usability häufig nur eine Nebenbedingung. Die Konsequenz: Interfaces, die ihren Zweck erfüllen, aber hinsichtlich der User Experience (UX) nicht mehr aktuell wirken. Währenddessen haben sich im Consumer-Bereich intuitive UX-Designkonzepte durchgesetzt, was den Unterschied im direkten Vergleich nur noch größer erscheinen lässt.

Die gegenwärtige Situation

Die Nutzer:innen digitaler Services erleben in ihrem täglichen Leben kontinuierlich die Vorteile einer verbesserten UX, oft sogar ohne es bewusst zu bemerken. Das reicht von der unkomplizierten Google-Suche auf allen Geräten über mobile Zahlungen per Face-ID bis hin zur intuitiven Bedienung aller Social-Media-Kanäle. Jahrelange Verbesserungen der Benutzeroberflächen haben eine digitale Umgebung geschaffen, in der sich fast jede:r problemlos zurechtfindet.

Bei industriellen Anwendungen sieht das Bild anders aus. Dort dominieren User Interfaces (UIs), die eher an die Betriebssysteme der späten Neunziger erinnern als an heutige moderne Anwendungen. Um hier navigieren zu können, müssen Fachkräfte oft Schulungen durchlaufen und eine längere Einarbeitungszeit in Kauf nehmen. Das Credo, dass das System nur stabil und produktiv sein muss, hat bei vielen Entwickler:innenteams dazu geführt, dass die Funktionalität in den Vordergrund gerückt und die Benutzerfreundlichkeit, wenn überhaupt, nur zweitrangig behandelt wurde.

Aber die Erwartungen ändern sich. Schließlich wollen Generationen, die als Digital Natives mit leicht zu bedienenden Programmen und Oberflächen groß geworden sind, nicht mit Werkzeugen arbeiten, die – zumindest gefühlt – veraltet sind.

Deshalb haben wir drei Empfehlungen, die beachtet werden sollten, will man die Nutzungserfahrung verbessern.

  1. Funktionen leicht erreichbar machen:
    Je kleiner eine Taste und je größer die notwendige Bewegung, um sie zu erreichen, desto schwieriger ist es, sie zu bedienen. Dies gilt nicht nur für Smartphone-Apps. Auch bei industriellen Anwendungen sollten Tasten so gestaltet und platziert sein, dass sie leicht und schnell erreichbar und daher angenehm zu nutzen sind. Dies wird durch intelligente Interaktionskonzepte erreicht, die semantisch sinnvoll sind und den Weg mit möglichst wenigen Klicks weisen. Gemäß dem Prinzip: Keep it smart and simple.
  1. Eine User Journey vorgeben:
    UIs, die zu viele Informationen und Aktionsmöglichkeiten bieten, können das menschliche Auge überfordern. Ordnung und Struktur sind hier wesentliche Unterstützungen: Aufgaben können beispielsweise in Bereiche gruppiert und nach Abhängigkeiten weiter unterteilt werden. Letztendlich geht es um die Frage, welche Informationen tatsächlich benötigt werden. Eine geführte Customer Journey führt oft schneller zum Ziel als ein unübersichtliches Angebot vieler Lösungswege.
  1. Komplexität reduzieren:
    Die meiste Zeit verbringen die Nutzer:innen nicht mit der Anwendungsoberfläche in ihrem Betrieb, sondern mit vielen anderen Apps. Industrielle UIs, die sich am Design und der UX dieser Apps orientieren, werden schneller akzeptiert und sind leichter zu bedienen. Anwendungsoberflächen im industriellen Kontext werden immer komplexer sein als vergleichbare Apps im privaten Bereich, da sie anderen Zwecken dienen. Eine gute UX kann dies jedoch ausgleichen, indem sie unnötige Komplexität aus der Nutzung der Oberflächen entfernt und sie so leichter zugänglich macht.

Doch welche Vorteile bieten gute UX und UI in der Industrie?

Unternehmen, die ihre Anwendungen mit modernen UIs ausstatten und eine optimale UX anstreben, haben gegenüber ihren Mitbewerbern in vielen Bereichen entscheidende Vorteile:

Aktuelle UX als Verkaufsargument

Stehen zwei Anbieter zur Auswahl, deren Lösungen qualitativ und preislich vergleichbar sind, kann eine moderne Usability den Unterschied machen. Schließlich sind es immer Menschen, die die Anwendungen nutzen. Und Menschen bevorzugen Lösungen, die einfach zu bedienen sind und ohne großen Aufwand in den Teams etabliert werden können.

Steigerung der Produktivität des gesamten Personals

Ist das Design der Anwendung intuitiv, finden Nutzer:innen sich leichter zurecht. Die Folgen sind nicht nur effizientere Arbeitsabläufe. Auch die Anzahl der Supportanfragen, die aus einer unklaren Menüführung oder komplexen Darstellungen resultieren, sinkt. Darüber hinaus sparen Unternehmen Kosten, wenn ihre Mitarbeiter:innen weniger intensiv auf neue Systeme geschult werden müssen, weil die Bedienung einfach vermittelt werden kann.

Vorteile für Nutzer:innen außerhalb der Industrie und des eigenen Kulturkreises

In vielen Fällen treffen IT-affine Verantwortliche in Unternehmen die Entscheidung für die Einführung neuer Lösungen. Sie sind vertraut mit Apps und achten auf die Technologie im Hintergrund. Die alltäglichen Anwender:innen sind jedoch oft Personen, die in ihrem Berufsfeld erfahren sind, sich aber noch nicht im Detail mit der Verwendung von spezialisierten Anwendungen auskennen.

Hier kann eine einheitliche, intuitiv gestaltete UX dazu beitragen, die Nutzung für alle Beteiligten zu vereinfachen. Dies gilt insbesondere für Systeme, die international oder zusätzlich von externen Partnern genutzt werden sollen. Hier können gut durchdachte UIs helfen, weitere Zielgruppen zu erreichen und alle Beteiligten auf einer Lösung zusammenzubringen.

Höhere Attraktivität für junge Fachkräfte

Personen, die im Privatleben eine gute UX gewohnt sind, werden oft mit veralteten Oberflächen im beruflichen Umfeld konfrontiert. Hersteller und Unternehmen, die modern agieren und ihre Geschäftsanwendungen an das B2C-Niveau anpassen, sind für jüngere Generationen attraktiver. Wie bei der Entscheidung für die Einführung einer neuen Lösung kann eine gute Usability auch den Unterschied ausmachen, ob das Recruiting erfolgreich ist oder nicht.

Mehr Relevanz für potenzielle Partner:innen

Die Vorteile guter Apps werden schnell bekannt, auch außerhalb der eigenen Kernbranche. Unternehmen, die auf intuitiv bedienbare Anwendungen setzen, werden nicht nur für Kund:innen und Talente attraktiver. Auch potenzielle Geschäftspartner:innen werden eher auf moderne Lösungen mit einer ansprechenden UX aufmerksam.

Aktuelle User Experience für Zukunftsfähigkeit

Mit jüngeren Mitarbeiter:innen kommen auch neue Vorstellungen in Unternehmen, wie moderne Anwendungen aussehen sollten. Hersteller können sich mit einer durchdachten UX in ihren Systemen nicht nur deren Akzeptanz sichern, sondern auch die von potenziellen Kund:innen und Partner:innen.

Zum Glück ist Usability kein vollkommen neues Gebiet. Insbesondere der B2C-Sektor hat in den letzten Jahren beeindruckend gezeigt, wie gute UX aussehen kann - hier können sich B2B-Organisationen einiges abschauen, ohne sich ins Ungewisse stürzen zu müssen.

Eine gute Benutzerfreundlichkeit sorgt nicht nur für eine höhere Kundenzufriedenheit, sondern macht die Lösungen auch zugänglich für den internationalen Markt. Unternehmen, die Apps und Oberflächen im industriellen Bereich entwickeln, sollten aus diesen Gründen die Benutzerfreundlichkeit ihrer Lösungen in den Mittelpunkt stellen. Denn letztendlich sind es Menschen, nicht Unternehmen, die die Lösungen nutzen.

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