Warum IoT-Projekte scheitern: 5 Gründe und was man dagegen tun kann

Microsoft ermittelte, dass noch im Jahr 2020 die Herausforderungen im Internet der Dinge eigentlich altbekannt sind: Zu komplex, zu wenig Budget oder – der Klassiker – keine Ressourcen. Wie erleben wir das bei tresmo?

Marcel Möstel

9.2.2021

9.2.2021

Wir begleiten IoT-, Cloud- und App-Initiativen in unterschiedlichsten Branchen von der Bedarfsanalyse bis hin zur Anwendungsphase. Vor diesem Hintergrund haben wir uns gefragt, welche Herausforderungen wir tagtäglich erleben. 

Herausgekommen sind 5 Gründe, warum wir IoT-Projekte scheitern sehen – und was man tun kann, dass unbestreitbare Herausforderungen keine unüberwindbaren bleiben.

1: Technische Möglichkeiten stehen vor dem Kundennutzen

Bei der Konzeption und Implementierung einer IIoT- oder IoT-Lösung dreht sich häufig alles darum, was eine technische Lösung können muss. Klingt nicht falsch. Und in Industrie 4.0-nahen Projekten, wo es vor allem um Kosten- und Effizienzoptimierungen geht, mag dieser Fokus auch zweckdienlich sein. 

Tückisch ist nur, dass dadurch technische Möglichkeiten in den Mittelpunkt rücken. Vor allem in dynamischen IoT-Projekten rutscht man so schnell in interdependente Anforderungen und zähe, technische Diskussionen zu zahllosen Lösungsvarianten. Denn bei der Technik gilt: Nichts ist unmöglich.

Stattdessen sollte sich jedes Unternehmen – egal ob im Maschinen- oder Anlagenbau oder in der Elektrotechnik – genau wegen der technologischen Lösungsvielfalt in allen IIoT-, IoT- und Cloud-Projekten von jener zunächst entfernen und fragen: Warum machen wir das eigentlich? Für wen? Was wollen unsere Kunden?

Wenn der Mehrwert – der Business Value – einer IoT-Initiative explizit definiert ist, rücken schwerfällige Tech-Diskussionen in den Hintergrund. Also dahin, wo sie hingehören. Komplexe Fragen wie „Welche IoT-Plattform ist die richtige für uns?“ oder „Welche Edge-Anforderungen haben wir auf dem Shopfloor?“ können viel fundierter und nachhaltiger beantwortet werden, wenn der Anwendungsfall für den Kunden dahinter klar ist.

Ein Projekt, das so geführt wird, stellt bei allen Beteiligten ein breites Verständnis über den Bedarf hinter einer Lösung sicher und sorgt dafür, dass nicht am Marktbedarf vorbei entwickelt wird. So entsteht eine sinnvolle inhaltliche Priorisierung vor und während des Projekts. Diese schont Ressourcen und Zeit und wirkt sich letztlich wie kaum ein anderer Faktor auf Umsetzungsqualität und -kosten des Projekts aus.

2: Schlagworte statt Anforderungen

Schlagworte (eng. Buzzwords) erzeugen schnell ein konkretes oder eben unkonkretes, Marketing-geprägtes Bild bei einer Fachgruppe. Da IoT-Projekte in vielen physischen und digitalen Systemen Abhängigkeiten erzeugen, erleben wir dort eine große Vielfalt dieser Schlagwörter. 

Um das klar zu sagen: Begriffe wie Edge, Predictive Maintenance oder Data Lake haben alle eine Daseinsberechtigung. Ein Schlagwort wird allerdings zum Hindernis, wenn sich nicht bei allen Gesprächspartnern zum gleichen Zeitpunkt das gleiche Bild mit dem selben Kontext im Kopf bildet. Denn dann entstehen auf einmal unterschiedliche Erwartungshorizonte.

In IoT-Projekten ist es oft aber erfolgsentscheidend, dass Experten aus unterschiedlichen Fachdomänen zusammenarbeiten und ein gemeinsames Anforderungsbild entwickeln. Es ist ein großer Unterschied, ob wir uns mit „Data Dashboards in der Cloud und On-Prem“ begegnen. Oder ob wir die Anforderung formulieren, „dass Servicetechniker von überall die Temperaturwerte der Maschinen einsehen können“.

Bei tresmo sehen wir uns nicht selten in langwierigen Kommunikationsschleifen gefangen, weil Begriffe wie Data Analytics oder IoT-Plattform beispielsweise bei Servicetechnikern, Vertriebsleitern und unseren Cloud-Architekten völlig unterschiedliche Erwartungen an eine Lösung erzeugen. 

In mehrmonatigen Anforderungs- oder Explorationsphasen hilft das nicht weiter, sondern verzerrt den Blick auf die Zielsetzung. Was wollen wir eigentlich lösen?

3: Partner werden zu spät oder gar nicht integriert

Starke Partnerschaften sind der Erfolgsschlüssel bei allen digitalen Projekten. Auch die „Großen“ wie Microsoft oder Telekom setzen bei IoT-Projekten auf ein breites Netzwerk. Nur so lässt sich ein Anwendungsfall aus mehreren Perspektiven und von der Anforderung bis zum Betrieb umfassend betrachten. 

A vibrant IoT partner ecosystem can help organizations create a complete and simple end-to-end solution.
– Microsoft IoT Signals 2nd Edition, October 2020

Bei tresmo ist zur Vielzahl der IoT-Themen über Jahre hinweg eine allgemeine Checkliste gewachsen:

  • Things
  • Gateway, Connectivity und Edge
  • IoT-Plattform und Infrastruktur
  • Cloud und Architektur
  • User Experience und Design
  • Apps und Dashboard
  • CRM- und ERP-Integration
  • Betrieb und Hosting
  • Support
  • Vor-Ort-Service
  • Qualitätssicherung
  • Sicherheit und Zertifizierung
  • Rechtliches
  • Know-How Transfer
  • Rollout und Go-Live

Diese verwenden wir, um bei unseren Kunden zu prüfen, ob da nicht im eigenen Anwendungsfall noch Themen vergessen wurden. Denn IoT-Projekte werden oft schon beim Ressourcen- und Projekt-Setup unterschätzt. 

Es ist nicht unüblich, dass einzelne Abteilungen wie IT oder F&E mit digitalen Projekten und Explorationsphasen beauftragt werden. Diese ziehen häufig erst sehr viel später, etwa nach einer Konzeptionsphase weitere Experten zur Umsetzung dazu. So entsteht viel inhaltliches und technisches Konzept aus Sicht einer Fachperspektive. Die Gefahr weitere, wichtige Perspektiven nicht berücksichtigt zu haben, ist groß.

So oder so erfolgsversprechender und günstiger ist es, von Anfang an auf ein starkes Partnernetzwerk auf Augenhöhe zu setzen und eine horizontale Kommunikation zwischen internen und externen Ressourcen zu ermöglichen. Bei der Fülle an Themen, die bei IoT-Initiativen auf fachlicher, technischer und rechtlicher Ebene beachtet werden müssen, profitiert jedes Projekt von synergetischer Arbeitsteilung.

Kurzum: Vor Projektbeginn in die Auswahl passender Partner zu investieren und diese früh zu integrieren, ist genauso wichtig wie die interne Konzeptionsphase oder der Aufbau von eigenen Ressourcen.

4: Kostenverlauf wird falsch eingeschätzt und gewichtet

Vor allem im Land der Anlagen- und Maschinenbauer werden wir häufig direkt nach dem ersten Workshop gefragt: Wieviel wird uns das kosten? In der Industrie sind über Jahrzehnte viele hoch optimierte, vertikale Produktionsketten und Kostenstrukturen gewachsen – und erlernt worden.

Bei IoT-Projekten ist der Kostenverlauf häufig aber sehr viel dynamischer.

So liegt der gewohnte Blick meist auf den Implementierungskosten der Hardware- und Software-Bausteine, die man für die IoT-Lösung entwickelt oder einkauft. Hier sind Anforderungen häufig aber bereits so dynamisch, dass sinnvolle Kostenschätzungen selbst mit existierendem Anwendungsfall vorab sehr schwierig sind. Das liegt mitunter an den vielen Abhängigkeiten, die IoT-, Cloud- und Anwendungssoftware zu ihrer Umgebung erzeugt. 

Was sich häufig aber noch viel gravierender auf den Kostenverlauf auswirkt, ist die Gewichtung zwischen dem, was es kostet eine IoT-Lösung zu implementieren und dem, was es benötigt, um sie erfolgreich am Markt zu betreiben.

Abb. 1: Entwicklungsphasen

Die beste Softwarelösung der Welt hilft nichts, wenn der eigene Vertrieb es nicht versteht, sie zu verkaufen, das Marketing nicht dafür werben kann oder der Service-Mitarbeiter mangels interner Schulungen keine Unterstützung für den Bestandskunden bieten kann. 

Es ist erfolgsentscheidend, die für die Markteinführung relevanten Stakeholder zu identifizieren und diese früh mit einzubeziehen. So gelingt später die Integration einer neuen Lösung in die bestehende Unternehmensprozesse – und auch das muss in den Kosten mit eingeplant werden.

Durch die vielen Abhängigkeiten und Prozesse, die eine IoT-Lösung in der physischen und digitalen Welt erzeugt, ist es zudem unerlässlich, Wartungs-, Betriebs- und Supportleistungen vorab mit zu planen. Also genau jene Prozesse, die die dauerhafte Funktionsfähigkeit einer Lösung sicherstellen und deshalb zusätzlich zu den Hosting- und Nutzungskosten wiederkehrende Kosten verursachen werden. Der Mitarbeiter im Callcenter, der einem Kunden im Problemfall weiterhilft, muss schließlich auch bezahlt und geschult werden.

Eine IoT-Lösung sollte hier also über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden. 

Damit das auch gelingt und man nicht in mehrjährigen Konzeptionsphasen untergeht, empfehlen wir in allen Anwendungsfeldern ganz unironisch ein einfaches Start-up-Mantra – und ja, das gilt auch für Industrie 4.0: Think big, start small.

5: Kultur wird komplexen IoT-Projekten nicht gerecht.

Der abschließende Punkt ist eigentlich kaum isoliert zu betrachten, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch fast alle Herausforderungen, die wir und viele Partner im Alltag erleben. Die Umsetzung komplexer Innovationsprojekte, zu denen IIoT- und IoT-Initiativen mit Sicherheit zählen, werden nämlich wesentlich von der Unternehmenskultur beeinflusst.

Bevor wir nun das große Fass der digitalen Transformation aufmachen, wollen wir uns nur auf einen Teilaspekt im Projektgeschäft beziehen: Unschärfe.

Gut sichtbar werden die Kultur-Herausforderungen nämlich am sogenannten „Cone of Uncertainty“. Steve McConnell stellt so den Verlauf von Aufwandsschätzungen in Softwareprojekten dar.

Abb. 2: Der "Cone of Uncertainty" analog zu Steve McConnell

Die These: Umso früher man sich im Projekt befindet, desto größer die Unsicherheit, desto volatiler die jeweiligen Aufwandsschätzung. Überspitzt gesagt: Erst wenn man fertig ist, weiß man, was es kostet.

IoT-Projekte sind genau so. Ein Unternehmen und das dafür verantwortliche Team muss mit vielen Unschärfen, Interdependenzen und Komplexitäten umgehen können, um eine IoT-Lösung erfolgreich umsetzen zu können.

Dennoch werden IoT- und IIoT-Initiativen in der Industrie häufig sehr linear betrachtet und genauso schrittweise geführt wie erprobte, klassische Produktentwicklungen. In dynamischen, innovativen Projekten stößt man so häufig auf strukturelle und kommunikative Probleme, die sich ganz unterschiedlich manifestieren und viele vielversprechende IoT-Projekte scheitern lassen. An die Oberfläche kommen dann später nur noch die mehr oder weniger generischen Probleme Herausforderungen aus der anfangs zitierten Studie von Microsoft: Zu komplex, zu technisch, zu wenig Ressourcen.

Die Lösung dafür ist genauso einfach wie existentiell: Sie liegt in der Führung des Projekts.

Ein IoT-Projekt sollte als eigene Unternehmung begriffen und auch so geführt werden. Und dazu gehört ein hohes Maß an Top-Down-Unterstützung, ein entscheidungsfreudiges Management, direkte Kommunikationswege, das Einbeziehen aller relevanten Stakeholder und die Akzeptanz, dass man anfangs nicht alles weiß.

Und der wichtigste Treiber von allen: ein starker Fokus auf den eigenen Kunden.

Fazit: Soweit so gut

Man muss zugeben: Es gibt viele teils erhebliche Herausforderungen in und rund um IoT-Projekte. Das grundsätzliche Geschäftsmodell oder die Anreizstruktur, um überhaupt loszulegen. Die Gewährleistung der Sicherheit von Kunden- oder Maschinendaten (insbesondere wenn wir auf die Anwendungsfälle unserer Industrie schielen). Die Qual der Wahl bei der IoT-Plattform – oder die Angst der Abhängigkeit von Dritten.

All das kann Kopfschmerzen bereiten.

Die obigen Punkte zeigen aber vor allem, dass wir uns in Innovationsphasen meist selber im Weg stehen. Es liegt am Faktor Mensch. Und diesen Problemen kann man gut vorbeugen indem man Vertrauen in Partnerschaften setzt, Kommunikation als höchstes Gut betrachtet und den Mut beweist groß zu denken und dennoch klein zu beginnen. 

Also eigentlich alles ganz einfach.




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